Schoko-Kirsch-Muffins

Und die heilige Kuchenzeremonie meiner Familie

Ich komme aus einer Familie, die am Wochenende nicht in die Kirche ging, sondern ihre Religion am Küchentisch auslebte. Es war die Religion der süßen Teilchen und fruchtigen Kuchen, der Sahneschnitten und Hefezöpfe. Kuchenstücke wurden wie Oblaten in Münder gelegt, Augen verdrehten sich, Blicke gingen gen Himmel und hin und wieder hörte man ein verzücktes „Oh Gott, ist das gut“. Menschen, die neu in unsere Familie kamen, waren anfangs verwirrt aufgrund der fremdartigen Brauchtümer. Und so beobachteten sie mit einem Gemisch aus Verstörtheit und Faszination, wie Kuchenstücke wie Heiligtümer bewundert und dann in kleinste Reliquien aufgeteilt wurden. Und so füllten sich die Teller anstatt mit „einem ordentlichen Kuchenstück“ mit einer Vielzahl kleinster Kuchenteilchen, so dass man von allem probieren konnte.

Stefanie Reeb

Der Besucher, der eigentlich nur ein Stück Apfelkuchen haben wollte, fand sich mit einer Selektion winzig kleiner Stücke Bienenstich, Schwarzwälder Kirschtorte und Hefezopf wieder. Der Apfelkuchen war vermutlich schon bei meinem Großvater gelandet, der aufgrund von Gallenproblemen nur Obstkuchen essen durfte. Dies alles spielte sich in der Küche meiner Großeltern ab. Und da meine Großmutter nicht gerne backte, war es die Aufgabe meines Großvaters, den besten Kuchen der Stadt ausfindig zu machen und für das Sonntagsritual zu kaufen. Am Sonntag Nachmittag trudelten dann alle Familienmitglieder, die gerade Zeit und Lust hatten, ein, um wild durcheinander gewürfelte Kuchenstücke zu essen, Kaffee zu trinken und über die vergangene Woche zu reden.

Obwohl meine Familie gesundheitsbewusst war, durfte an den heiligen Süßigkeiten lange keiner rütteln. Meine Großmutter, die ständig mit ihrem Gewicht zu kämpfen hatte, ging sogar so weit, dass sie Pralinen lutschte und dann wieder ausspuckte – ersteres des Geschmacks und letzteres der Gesundheit wegen. Auch meine Mutter, die Mittags immer nur Salat aß und schon in den 80er Jahren gesunde Sachen kochte, liebte ihre „normalen“ Kuchen mit „normalem“ Zucker usw. Denn sie war der Ansicht, dass eine Süßigkeit ein echter Genuss sein muss, sonst muss man sie gar nicht essen. Gesunden Süßigkeiten stand sie anfangs skeptisch gegenüber. Als ich dann vor vielen Jahren mein erstes gesundes Backbuch schrieb, brachte ich ihr eine süße Kostprobe mit, die sie ganz schnell im Kühlschrank verschwinden ließ. In ihren Augen sah ich, dass sie „noch nicht daran glaubte“.

Ich hörte ein paar Tage nichts mehr von ihr. Eines Morgens um halb acht klingelte dann das Telefon. Es war meine Mutter. Sie sagte: „Ich habe Deine Süßigkeiten im Kühlschrank wiederentdeckt – die sind ja unverschämt gut!“ Damit war der Bann gebrochen. Und von nun an kamen (fast) nur noch gesunde selbstgemachte Süßigkeiten auf den Sonntagstisch und Dinkelkuchen, glutenfreie Törtchen und Muffins mit Ahornsirup wurden heilig gesprochen, verehrt, geliebt und in viele kleine Stücke geteilt, so dass jeder mal probieren konnte.

Mein Rezept der Woche

Auf die Idee zu diesen Muffins hat mich eine Leserin gebracht, die mir diese Woche ein Foto schickte, das Muffins zeigte, die sie aus dem Teig meines Kirschkuchens aus unserem Buch „Süß&Gesund“ gemacht hatte. Ich habe das Rezept ein wenig abgewandelt und noch einen Hauch Bittermandelöl hinzugefügt, um diesen leichten Marzipangeschmack zu erzeugen, der meiner Meinung nach ganz wunderbar zu Kirschen passt. Muffins sind ein Gebäck, das ich schon aufgrund meiner Familiengeschichte lieben muss, denn sie sind klein und handlich und gut zum Teilen mit lieben Menschen. Schokolade und Kirschen sind ein Paar, das zusammengehört, das ist einfach so. Deshalb sind diese Muffins das ultimative Sommergebäck – und ob sie Dir auch heilig sind, erfährst Du gleich nach dem ersten Biss.

Und nun meine Frage an Dich: Gibt es „heilige“ Ritale rund ums Essen in Deiner Familie? Ich freue mich, von Dir zu lesen in den Kommentaren unter diesem Beitrag!

 

Schoko-Kirsch-Muffins

Schoko-Kirsch-Muffins

Portionen 12 Muffins
Zubereitungszeit 20 Minuten
Backzeit 25 Minuten
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Zutaten

  • 500 g Kirschen
  • 200 g Dinkelmehl, Type 1050 alternativ: meine glutenfreie Mehlmischung: für die glutenfreie Version zusätzlich entweder 1 großes Ei hinzufügen ODER 3/4 EL gemahlene Chiasamen in 3 EL Wasser auflösen und 5 Minuten quellen lassen. Dann dem Teig hinzufügen.
  • 60 g gemahlene Mandeln
  • 1 abgeriebene Zitronenschale
  • 2 TL Weinstein-Backpulver
  • 1/2 TL Salz
  • 100 ml Ahornsirup Grad A oder C
  • 80 g natives Kokosöl geschmolzen
  • 150 g Apfelmus
  • ein paar Tropfen Bittermandelöl optional
  • 100 g Zartbitterschokolade gehackt
  • 500 g Kirschen

So geht's

  • Den Backofen auf 180 °C Ober- und Unterhitze vorheizen.
  • 12 Kirschen mit Stiel beiseite stellen. Die restlichen in Hälften schneiden und entkernen.
  • Die Schokolade hacken und 1/4 der Menge beiseite stellen.
  • In einer Schüssel alle Zutaten, außer Zartbitterschokolade und Kirschen, glatt vermischen. Zuletzt 3/4 der Schokolade und die Kirschhälften unterheben.
  • Eine Muffinform mit Papierförmchen auskleiden. Den Teig auf die 12 Mulden gleichmäßig aufteilen.
  • Je eine Kirsche mit Stiel in die Oberfläche jedes Muffins setzen und leicht andrücken. Die restliche Schokolade auf der Oberfläche verstreuen.
  • Die Muffins auf der mittleren Stufe 25–30 Minuten backen. Am Ende der Backzeit sollte ein in den Teig gepiekster Zahnstocher sauber wieder heraus kommen.
  • Die Muffins aus dem Ofen nehmen und 20 Minuten abkühlen lassen, dann aus der Muffinform lösen und auf einem Kuchengitter vollständig auskühlen lassen.
Wellcuisine Stefanie Reeb

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  1. Hallo liebe Stefanie, Deine kleinen Geschichten liebe ich sehr und lese sie immer genußvoll. Und dass ist ja lustig, was du da schreibst. Tatsächlich ist es bei mir genau so. Ich liebe es übeall zu probieren. Und beim Kuchen gehe ich auch immer viele verschiedene kaufen und schneide sie dann in winzige Häppchen, sodass jeder überall probieren kann. Da habe ich mich also total wieder erkannt. Auch in meiner Familie wurde soweit, ich mich erinnern kann, von der Oma gerne gebacken und viel genascht und genossen.

    1. Stefanie Reeb Autor schreibt:

      Liebe Britta,

      das ist ja schön (und lustig!), dass Du dieses Kuchen-Ritual mit mir teilst!

      Viele liebe Grüße
      Stefanie

  2. Renate Lehmann schreibt:

    Liebe Stefanie, seit der Herausgabe Deines ersten Buches Wellcuisine koche und backe ich nach Deinen Rezepten. Mein Ritual, immer wenn es gesund und köstlich sein soll, mache ich das. Mittlerweile habe ich schon weitere Bücher von Dir und freue mich jedes Mal über Deinen Newsletter.
    Eine Frage, kann man für die Muffins auch TK-Kirschen verwenden? Bei Deinen super leckeren Heidelbeer-Muffins sind TK-Blaubeeren nicht so gut geeignet, frische Heidelbeeren dagegen wesentlich feiner. Über eine Antwort würde ich mich freuen, ansonsten probiere ich es aus. Ich kann nur immer wieder sagen, Du, Deine Rezepte, Dein Umgang mit Lebensmitteln und Dein Zugang zu Gesundheit und Wohlbefinden, sind wunderbar. Herzensdank dafür, liebe Grüße Renate

    1. Stefanie Reeb Autor schreibt:

      Liebe Renate,

      danke für Deine liebe Nachricht! Darüber freue ich mich! Ich habe es noch nicht ausprobiert, denke aber, dass Du die Muffins gut mit TK-Kirschen machen kannst. Wenn Du magst, dann kommentiere doch noch mal, wenn Du es ausprobiert hast, das ist immer super hilfreich für andere! Danke Dir im voraus!

      Einen ganz lieben Gruß und hab ein schönes Wochenende
      Stefanie

  3. Sibylle Koch schreibt:

    5 Sterne
    Liebe Stefanie,
    danke für diese in zweifacher Hinsicht köstliche Geschichte. Ich liebe es, verschiedene kleine Stücke zu probieren und bin immer glücklich, wenn Familie und Freunde das auch so sehen. Was den Genuss von Süßigkeiten betrifft, sagte meine Mutter immer: „Kuchen und Süßigkeiten müssen fett und süß sein – sonst kann ich auch Knäckebrot essen.“ Und bei aller gesunder Ernährung sage ich bei einem leckeren Stück Kuchen (oder vielen kleinen!) nicht nein. Allerdings sind Deine Rezepte so super lecker, dass ich selbst keine anderen Kuchen usw. backe. Vielen Dank an dieser Stelle für den Genuss, den Du uns mit Deiner Arbeit bescherst! Ganz liebe Grüße Sibylle

  4. Tatjana schreibt:

    Liebe Stefanie, also wenn wir Kuchen kaufen, statt ihn selbst zu backen, dann machen wir das i.d.R. genau so… viele kleine Stückchen schneiden, damit jeder von allem Probieren kann, und wenn s n Kuchenbuffett gibt, kenn ich das von mir u vielen anderen, dass sie sich immer ganz schmale stückchen abschneiden um Platz zu haben, alle anderen Leckereien ebenso zu probieren… zur Küchenritual fällt mir mal auf die schnelle nur unser Familien Leitspruch ein: „Öbbis Guets und öbbis Guets dezue isch s Bescht!“ ich denke Thomas kann dir beim Übersetzen helfen… 😉 wir sind unverschämte Schleckermäuler, denen eine Portion Selbstdiziplin nicht schaden würde, darum sammle ich auch gerne deine Rezepte und hab schon manches bei meinen Lieblingsrezepten abgeheftet… damit ich öfter mit leichterem Gewissen schlemmen kann.. für mich gehören übrigens nicht nur Kirschen zu Schokolade dazu, sondern sämtliche roten bis dunkellila Beerenfrüchte dazu… Schokoladeneis passt zb für mich 1000mal besser zu heißen Himbeeren, als Vanilleeis… und schon mancher, den ich dazu verführt habe, hat mich darin bestätigt… aber das ist natürlich wie alles, Geschmackssache .. ich such immer noch nach nem „heiligen Ritual rund um s Essen“…ach ja: es ist bei uns zwar nicht Pflicht, aber erlaubt: den Teller abzulecken… gibt es ein schöneres Kompliment an die Köchin(den Koch)?

  5. Gisela Hecht schreibt:

    Liebe Stefanie,
    den Text zu den Kirsch-Muffins finde ich interessant. Ich habe aufgrund deines Kochbuches“ Wellcuisine“, in dem ja auch einige Backrezepte sind, wieder mit dem Backen angefangen. Wofür ich dir sehr dankbar bin.
    Daraus konnte ich auch vieles lernen. Danke!
    Inzwischen sehe ich das Wort „gesund“. etwas kritisch. Hierzu gehört bei mit Vollkornmehl
    weniger Ahornsirup (so wenig wie möglich) und weniger Kokosöl.
    Herzliche Grüße
    Gisela

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