Wer sich mit der traditionellen westlichen Medizin oder gesunder Ernährung beschäftigt, begegnet über kurz oder lang dem Namen Hildegard von Bingen. Die Klosterfrau, Mystikerin, Visionärin und Expertin für ganzheitliche Medizin und Ernährungslehre lebte von 1098 bis ca. 1180, in der Zeit des Hochmittelalters, als Mystik, Magie, Naturreligion und die Heilkraft der Kräuter noch gesellschaftliches Ansehen genossen. Wäre sie einige Jahrhunderte später, in der Zeit der Inquisition, geboren worden, wäre sie ziemlich sicher auf dem Scheiterhaufen gelandet.
Aber in der Zeit des Hochmittelalters lebte sie in einer Welt ohne Medizinstudium, ohne Krankenhäuser und ohne öffentliche Krankenversorgung, als das medizinische Wissen noch in Händen der Klöster und Heilkundigen der Dörfer lag. Hildegard wurde im Alter von 8 Jahren von ihren Eltern in ein Kloster gegeben, wo sie aufwuchs und ausgebildet wurde. Jahre später übernahm sie die Leitung des Klosters und gründete zwei weitere Klöster. Sie schrieb fünf große Werke und unzählige Anleitungen zu den Themen Religion, Naturheilkunde, Ernährung, Musik, Ethik und Kosmologie. Am bekanntesten ist sie heutzutage aber aufgrund ihrer Studien und Lehren zur ganzheitlichen Medizin und Ernährung. Dabei ließ sich Hildegard von Bingen nicht vom Aberglauben leiten, sondern gründete ihre Lehre auf empirischen Studien und ihrer reichen Erfahrung in der Behandlung von Menschen.
Das Mittelalter genießt in unseren heutigen Geschichtsbüchern ein sehr schlechtes Ansehen. Und doch war es wohl eine Zeit, in der in gewissen Bereichen weitaus mehr Freiheit herrschte als in den Jahrhunderten danach. So hatte Hildegard recht moderne Ansichten und sah es zum Beispiel als selbstverständlich an, dass Frau und Mann gleichberechtigt sind und dafür geschaffen wurden, sich gegenseitig zu ergänzen. Sie schrieb dazu: „Ohne die Frau könnte der Mann nicht Mann genannt werden, wie ohne den Mann die Frau nicht Frau.“
Als Hildegard 51 Jahre alt war, beauftragte der damalige Papst eine Kommision damit, ihre Sehergabe zu prüfen. Die Kommision bestätigte ihre visionäre Kraft, und so katapultierte der Papst Hildegard innerhalb kurzer Zeit von der Abgeschiedenheit ihrer Klosterzelle auf die Weltenbühne, wo sie von nun an Predigt-Reisen unternimmt und als Beraterin für Könige, Päpste, Erzbischöfe und Äbtissinnen tätig ist.
Aber auch die normalen Menschen suchen ihren Rat und sie gibt ihnen Empfehlungen und Verordnungen zu gesunder Lebenshaltung, Meditation, Kräuterheilkunde und Ernährung.
Gesunde Lebensmittel und Gewürze nach Hildegard von Bingen
Dinkel
Als ich vor 30 Jahren meine Ernährung umstellte, um meinen Körper zu heilen, suchte ich nach einem verträglicheren Ersatz für den allgegenwärtigen Weizen. Dabei stolperte ich über Hildegard von Bingen und las ihre Ausführungen über Dinkel. Von da an tauschte ich alles, was vorher Weizen war, gegen Dinkel aus beziehungsweise ergänzte es noch durch Buchweizen, Hafer etc. Über den Dinkel schrieb Hildegard: „Dinkel ist das beste Getreide, fettig und kraftvoll und leichter verträglich als alle anderen Körner. Es verschafft dem, der es isst ein rechtes Fleisch und bereitet ihm gutes Blut. Die Seele des Menschen macht er froh und voll Heiterkeit. Und wie immer zubereitet man ihn isst, sei es als Brot, sei es als andere Speise, ist er gut und lieblich und süß.“
Hafer
Zum Hafer sagte Hildegard: „Hafer sorgt für einen guten Geschmacks- und Geruchssinn. Er fördert ein fröhliches Gemüt und eine reine helle Aufgeschlossenheit. Die Haut wird schön und das Fleisch kernig gesund.“
Fenchel
Zum Fenchel sagte Hildegard: „Wer Fenchel oder dessen Frucht nüchtern täglich ißt, dem mindert er böse Schleimstoffe und Fäulnisherde, vertilgt den üblen Geruch des Atems und macht seine Augen hell blinkend durch seine gute Wärme und edlen Kräfte …“ und „Wie immer man ihn genießt, macht er den Menschen fröhlich, gibt ihm eine schöne Farbe, einen angenehmen Geruch und gute Verdauung“.
Galgant
Der zur Familie der Ingwergewächse gehörende Galgant wirkt verdauungsfördernd und krampflösend. Zudem fördert er die Herzgesundheit und den Kreislauf. Dazu schrieb Hildegard: „Wer im Herzen Schmerzen leidet und wem von seiten des Herzens ein Schwächeanfall droht, der esse sogleich eine hinreichende Menge Galgant, und es wird ihm besser gehen.“
Rosmarin
Der bittere Geschmack des Rosmarins fördert den Gallenfluss und die Verdauung. Gleichzeitig regt er die Durchblutung an und lindert so Schwäche, Kreislaufbeschwerden, Schwindel, Kopf- und Regelschmerzen sowie Schmerzen im Bewegungsapparat. Gleichzeitig wirkt er anregend und fördert die Konzentration.
Mein Rezept der Woche
In meinem Hildegard-Knäcke habe ich einige Klassiker der Hildegard-Küche miteinander vereint: Dinkel, Hafer, Fenchel, Galgant und Rosmarin. Aus ihnen entsteht ein wunderbares Knäckebrot, das zu jeder Tageszeit schmeckt. Da es so aromatisch ist, kann man es gut pur essen – und für mich ist es sogar ein Ersatz für den Keks, den ich sonst gerne zu meiner Tasse Kaffee kombiniere. Ich habe einige Freunde, die so scharf auf dieses Knäckebrot sind, dass ich ihnen damit eine Riesenfreude machen kann.
Und nun meine Frage an Dich: ist Dir Hildegard von Bingen auch schon öfters „über den Weg“ gelaufen bei Recherchen über gesunde Ernährung? Ich freue mich auf Deinen Kommentar unter diesem Beitrag!
Hildegard-Knäcke
Zutaten
- 200 g Dinkelmehl, Type 1050
- 100 g Haferflocken Kleinblatt
- 100 g Walnüsse gehackt
- 1 EL Rosmarin gehackt
- 1 TL Fenchelsamen
- 1 TL Galgant
- 1 TL Salz
- 200 ml Wasser
- 6 EL Olivenöl alternativ: geschmolzenes Kokosöl oder Ghee
So geht's
- Den Backofen auf 180 °C vorheizen.
- In einer großen Schüssel alle Zutaten für den Teig mit einem Löffel vermengen. Zwei Backbleche mit Backpapier auslegen. Den Teig in zwei Hälften teilen, je auf ein Backblech geben und mit den befeuchteten Händen flach andrücken, bis der Teig gleichmäßig dünn verteilt ist.
- Beide Backbleche in den Ofen geben und ca. 30–35 Minuten backen. Zwischendurch kontrollieren, dass nichts anbrennt. Am Ende der Backzeit sollte der Teig leicht gebräunt und gehärtet sein. Wenn er noch zu weich ist, noch etwas länger backen. Das untere Backblech muss unter Umständen noch weitere 5 Minuten backen.
- Das Knäckebrot abkühlen lassen, dann in Stücke brechen.
Liebe Stefanie, danke mal wieder für dieses tolle Rezept. Hildegard von Bingen habe ich auch schon oft „konsultiert“ und mir Rat geholt. Allerdings wusste ich noch nicht so viel über ihre Geschichte. Sehr interessant. Ich versuche auch so viel wie möglich natürlich zu „heilen“ bzw. mir zu helfen, da ich so wenig wie möglich Chemie in meinem Körper will. Das lässt sich aber so ganz dann leider doch nicht vermeiden. Nun eine Frage zum Rezept: Geht das Knäcke auch glutenfrei? Ich weiß, du wolltest den Dinkel mit drin haben, aber ich habe eine Freundin, der ich dieses Brot gern backen würde, die aber kein Gluten verträgt. Ich bin auf deine Antwort gespannt! Liebe Grüße aus dem Harz, Martina
Liebe Martina,
Vielen Dank für Deine Nachricht! Zu Deiner Frage nach einer glutenfreien Variante kann ich Dir dieses Rezept empfehlen, das man auch noch mit den Gewürzen anreichern kann: https://www.wellcuisine.net/leinsamen-cracker/#recipe
Liebe Grüße
Stefanie
Danke für das tolle Knäckebrot Rezept, Stefanie. Ich kenne noch das Habermusrezept von Hildegard von Bingen. Darin findet sich der Dinkel in Flockenform wieder. Viele Grüße und danke für deine unermüdliche Arbeit. Luzie
Liebe Luzie,
Vielen Dank für Deine liebe Nachricht!
Herzliche Grüße
Stefanie
Liebe Stefanie,
ich freu mich riesig über und auf das Rezept. Schon seit über 30 Jahren gehört die Hildegard-Medizin und -Küche zu meinem Leben. Ganz sicher werde ich spätestens am Wochenende das Knäckebrot backen, ich bin schon sehr gespannt!
Vielen Dank dafür 😊.
Ganz herzliche Grüße von birgit 🔆
Liebe Birgit,
Wie schön! Hab ganz viel Freude mit dem Rezept.
Liebe Grüße
Stefanie
Liebe Stefanie!
Die vielseitige und ganzheitliche Lebensweise ist über Umwegen zu mir gekommen. Warscheinlich, weil wie Du beschreibst, das Wissen aus dem westlichen Mittelalter verrufen scheint.
Dadurch habe auchich Weizenmehl aus meiner Ernährung verbannt und verwende noch immer wieder ihre Gewürze und Heilempfehlungen. Das Rezept des Knäckebrotes klingt verlockend und war mir neu. Ich werde es probieren. Woher beziehst Du den Galgant?
Es grüßt Dich Dorothee aus Recklinghausen
Liebe Dorothee, vielen Dank für Deinen Kommentar! Ich kaufe Galgant meistens von der Firma Sonnentor, die auch alle anderen typischen Hildegard-Gewürze wie zum Beispiel Quendel, im Sortiment hat.
Liebe Grüße
Stefanie
Das Knäckebrot ist grad im Ofen – ich freu mich schon sehr drauf.
Ich freue mich immer riesig wenn eine neue E-Mail in mein Postfach kommt mit einem neuen Blog Eintrag. Die Texte lese ich immer unglaublich gerne und das Rezept dazu ist meist so toll, dass ich es am liebsten sofort nachkochen/backen möchte 🙂
Danke für deinen tollen Blog und die schönen Rezepte.
Deine Bücher liebe ich auch sehr!
Vielen Dank, immer wieder für deine tollen Geschichten und Rezepte! Meine Oma hat schon immer von Hildegard von Bingen geschwärmt und ich habe auch ein Buch, das ich gerne konsultiere. Genauso wie mit Maria Treben (österr.) bin ich dank meiner Mama und Oma mit deren Heilkunde aufgewachsen und ich schätze sie sehr!
Liebe Stefanie, Ja die Hildegard, die habe ich schon öfter um Rat gefragt, habt 3 Bücher über ihr Wissen im Schrank stehen, mit etlichen Gesundheitsrezepten, kürzlich erst hab ich endlich mal die berühmten Hildegard Nervenkekse gebacken, die ich schon lange von einer Freundin kannte und sehr liebe. Aber mein Lieblings“rezept“ ist einfach eine Würzmischung von ihr: die „Griechenklee-mischung“ aus weissem Pfeffer, Cumin und Bockshornklee (von ihr Griechenklee genannt) im Verhältnis 60g, 20g,10g in dieser Reihenfolge… es gibt kaum ein Essen, wo ich es nicht benutze…absolut lecker und selbstverständlich auch sehr gesund… sonnige Grüsse Tatjana
Liebe Stefanie, das Knäckebrot werde ich heute backen – klingt super. Ich schwöre ja auf ihre Schwedenkräuter bei Magenbeschwerden – es gibt für mich nichts Besseres. Dank und liebe Grüße, Antje